Credit: Mirjam Walenta / Winterbilder AdobeStock

Mirjam Walenta: Wie man Vorurteile gegenüber ausländischen Mitarbeiter*innen abbaut

Ob Syrien oder Ukraine – für die Salon Pranz-Chefin zählt der Mensch und das Handwerk. Sie erzählt von den qualitativ hochwertigen Bewerbungen, die sie durch Salons für Ukraine (by JOKIRA) erhalten hat und wie sich ihre Mitarbeiter*innen, egal welcher Nationalität, schnell einen Kundenstamm aufbauen.

Interview geführt von imSlaon.de

Du hast über JOKIRA und ► Salons für Ukraine eine neue Mitarbeiterin gefunden. Wie war dieser etwas andere Bewerbungsprozess?
Mirjam Walenta: Ja, ich habe zwei neue Mitarbeiterinnen gefunden und wirklich rasch nach der Anmeldung auf JOKIRA 6 Bewerbungen erhalten. Ich war sehr überrascht, wie gut die ukrainischen Bewerberinnen deutsch sprechen.

Wie waren die Bewerbungsunterlagen aufbereitet?
MW: Die waren alle in sehr guter deutscher Sprache, aussagekräftig und sympathisch gestaltet.

Warum ist die Entscheidung gerade auf die beiden Friseurinnen gefallen, die bald im Salon Pranz starten?
MW: Ich hatte ursprünglich nur eine Person einstellen wollen, aber aufgrund der ansprechenden Bewerbungen habe ich mich dann doch für zwei entschieden. Eine weitere habe ich an eine Kollegin weitervermittelt und der Rest hat dann schon einen Platz woanders gefunden.

„… es wird so lange gearbeitet, wie es Kunden zu bedienen gibt“

Wie ist die berufliche Vorgeschichte der beiden?
MW: Eine stand gerade kurz vor ihrem Abschluss, den sie natürlich nicht machen konnte. Hier bin ich noch am Abklären, ob sie in Österreich die Lehre abschließen kann. Die zweite ist bereits seit 12 Jahren Damenfriseurin. Aber der Einstellungsprozess ist wesentlich einfacher, als die Einstellung damals, 2016, von zwei syrischen Mitarbeitern.

Und die beiden starten Vollzeit?
MW: Ja. Obwohl, sie mit kleinen Kindern nach Österreich gekommen sind. Ich hatte mich erkundigt, welche Stundenanzahl sie unter Vollzeit verstehen und sie meinten, dass so lange gearbeitet wird, wie es Kunden zu bedienen gibt – und wenn es bis 22:00 Uhr ist. Das ist eine komplett andere Einstellung, wie man sie von hier kennt.

Wollen die beiden in Österreich bleiben?
MW: Bei der einen Mitarbeiterin hatte der Mann die letzten Jahre im Ausland gearbeitet und er war bei der Einberufung nicht in der Ukraine. Das heißt, sie möchte mit ihrer Familie einen Neustart in Österreich. Bei der zweiten wird sich das noch zeigen.

Gibt es einen Plan von deiner Seite, um das Ankommen und einen Job in einem neuen Land so angenehm wie möglich zu gestalten?
MW:
 Natürlich habe ich meine Mitarbeiter*innen in mein Vorhaben eingeweiht. Sie haben sich begeistert gezeigt und sogar ein Übersetzungsprogramm als App besorgt. Im Team sehe ich kein Problem, weil ich bereits verschiedene Nationen habe. Das funktionierte auch super bei Mazen, der aus Syrien kam. Ich behandle alle Mitarbeiter gleich, was auch wichtig ist, da es ansonsten zu einem Ungleichgewicht im Team kommen kann. Deswegen gibt es bei allen neuen Mitarbeitern einen Rabatt für Kunden im Buchungssystem, damit sie sich rasch einen Kundenstamm aufbauen können. So haben alle etwas davon.

Das heißt, der Mitarbeiter, der aus Syrien kam, ist immer noch im Team?
MW:
 Ja, der ist mittlerweile mein Salonleiter und ich hoffe, dass er irgendwann mein Geschäft übernimmt. Er ist ein Vorzeigemitarbeiter. Er kam damals mit B1 Sprach-Niveau und hat schon mehr Wiener Schmäh als so mancher Wiener. Aber er hatte es 2016 nicht leicht. Damals war die zweite Bundespräsidenten-Wahl und das Thema „Flüchtlinge“ gesellschaftlich ein großes und leider politisch negatives Thema. Es hatte sogar Kunden gegeben, die sich gegen Flüchtlinge ausgesprochen haben, was mich sehr enttäuscht hat. Aber viele haben durch Mazen ihre Einstellung geändert.

„Egal was ist, komm zu mir. Wenn dich jemand kränkt oder beleidigt, reagiere darauf nicht. Wir finden einen gemeinsamen Weg.“

Wie schafft man es, Vorurteile bei Kund*innen abzubauen?
MW:
 Ich habe zu Beginn zu Mazen gesagt: „Egal was ist, komm zu mir. Wenn dich jemand kränkt oder beleidigt, reagiere darauf nicht. Wir finden einen gemeinsamen Weg.“ Es gab eine Situation als Mazen gestartet hatte, dass ein Kunde sehr schlecht über Ausländer und vor allem Syrer gesprochen hat. Ich habe ihn dann überrumpelt und gesagt: „So und jetzt wird dich aber ein Syrer waschen!“. Der Kunde hat mich damals irritiert angesehen und nichts mehr gesprochen. Einen Monat später kam dieser wieder und entschuldigte sich für sein Verhalten. Es kommt eben auf den Menschen an und nicht auf die Nationalität.  

Gibt es einen Unterschied in der Arbeitstechnik?
MW: Ja, Mazen hat eine Locken-Föhntechnik mitgebracht, die wenden wir mittlerweile alle an. Er hat sich von uns etwas abgeschaut und wir von ihm. Das ist eben das spannende an unterschiedlichen Kulturen in einem Betrieb. Er war ein schon fertig ausgebildeter Friseur in Syrien, nur wurde diese Ausbildung bei uns nicht anerkannt. Dann hat er die ganze Lehre inklusive Berufsschule mit 28 nachgeholt.

Braucht es ein Umdenken in der Branche, um auf mehr internationale Mitarbeiterinnen zu setzen?
MW: 
Ja, auf jeden Fall. Für mich zählt der Mensch und ob dieser mit seinen Fähigkeiten in meinen Salon passt. Ich mache das nicht nur aus einem sozialen Charakter, ich bin auch Unternehmerin. Aber natürlich ist es irrsinnig schön zu sehen, wenn man einer Person in einer schwierigen Zeit unter die Arme greift und die sich selbständig entfaltet und erfolgreich weiterentwickelt.

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