Die gesetzliche Untergrenze für Friseur-Auszubildende ist beschlossen.
Pro und Contra Stimmen und ein paar Zahlen zum Visualisieren in unserem Kommentar.
Die Bundesregierung macht den Weg frei für eine gesetzliche Untergrenze für Auszubildende. Das hat das Bundeskabinett heute beschlossen, um eine Ausbildung im Handwerk attraktiver zu machen. Wirtschaftstreibende sind erwartungsgemäß nicht erfreut. Es geht aber auch hervor, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber sich über Abweichungen noch verständigen können. Ob und in welchem Maße die stattfinden, werden wir in Erfahrung bringen.
Im Einzelnen heißt die gesetzliche Mindestvergütung:
Im ersten Ausbildungsjahr erhalten Azubis ab 2020 mindestens 515 Euro monatlich, mit Staffelungen in den kommenden Jahren: 2021 gibt es 550 Euro, 2022 dann 585 Euro und bis 2023 werden es 620 Euro sein. Der Mindestsatz für Auszubildende im zweiten und dritten Lehrjahr wird entsprechend gestaffelt.
Gute Nachrichten für den Nachwuchs, weniger gute für ausbildende Unternehmen?
Logisch, die Wellen schlagen hoch, die Meinungen krachen auseinander.
Unsere ersten Gedanken zur Mindestausbildugsvergütung
Warum schauen viele negativ auf dieses Thema? Wir wissen, dass seit Jahren die Zahlen derer, die sich für eine Ausbildung interessieren, sinken. Man könnte also meinen, wenn jetzt alle mehr Gehalt zahlen, erhöhen alle ihre Preise – ergo wir haben eine Wertsteigerung, Image-Push und mehr Geld!
Wenn die Friseurazubis wieder nur die Mindestvergütung erhalten, bleiben wir mit unserer Branche an letzter Stelle und werden wieder als Negativbeispiel Nr. 1 zitiert! Sollten wir also nicht für ein höheres Niveau kämpfen, um aus der ‘Negativbeispiel Spirale` herauszukommen?!
Niedrige Einkommen verhindern Unabhängigkeit und Entwicklung und schränken sozial und kulturell ein. Wünschen wir uns nicht alle interessierte Mitarbeiter, die z.B. Kundengespräche auf Augenhöhe führen können?
Lehrjahre sind keine Herrenjahre! Wer daran glaubt, erleidet längst Realitätsverlust, denn die Marktmacht liegt beim Nachwuchs! Auszubildende sind diejenigen, die entscheiden, wo sie arbeiten und zu welchen Konditionen. Wollen wir unsere Gesellschaft international wettbewerbsfähig halten, ist die angemessene Bezahlung ein Schritt in die richtige Richtung.
Fakt ist: Der Großteil der Auszubildenden in Deutschland bekommt – branchenabhängig – schon jetzt weit mehr als die geforderten 515 Euro. Der Schnitt lag 2018 bundesweit bei 908 Euro. Wer noch mehr darüber wissen möchte: ► Friseur Ausbildungsvergütungen im Vergleich zu anderen
Pro und Kontra. Was sagen Kollegen dazu?
Max Höhn, „Max Höhn Friseure“ Berlin, bietet Umsatzbeteiligungen im 3. LJ. :
„Ich finde das für viele Läden wahrscheinlich schwierig. Günstige Preise, schmaler Umsatz… Das macht es nicht gerade einfacher. Allerdings betrifft mich das nur am Rande, da ich im dritten Jahr eine Umsatzbeteiligung zahle und das Ziel sollte doch sein, von Anfang an Spaß an diesem Beruf zu haben. Und da gehört das Gehalt doch ganz klar dazu.“
Ralf Suchomel, „Suchomel & Bohm“ Dresden, möchte das Handwerk an die Jetztzeit anpassen.
„Wir reden immer von Mindestlöhnen und schimpfen. Wir diskutieren mit den Werten, die wir vor 20, 30 Jahren hatten. Es wird Zeit, das Handwerk an die Jetztzeit anzupassen! Wir brauchen die höheren Löhne und dementsprechende Preise. Alles andere ist der falsche Ansatz!”
Jutta Gsell, „Kopfsache“ Bad Mergentheim, zahlt mehr und bietet Trainingsabende zum Profilieren.
„Es ist Zeit dafür! Azubis steigern den Marktwert eines Unternehmens! Da entsteht ein angenehmer Druck für beide Seiten. Der Ausbilder braucht Engagement vom Azubi, dafür bekommt der Azubi seine Arbeit finanziell wertgeschätzt. Beide Seiten müssen schauen, dass sich das rentiert. Ich zahle meinen Azubis mehr als die übliche Ausbildungsvergütung und setze hier auf Eigenverantwortung. Je mehr die Azubis können, desto mehr Geld kriegen sie. Dafür biete ich ihnen Trainingsabende, an denen sie zeigen was sie draufhaben und was sie im Alltag einsetzen können.“
Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer, Zentralverband deutschen Friseurhandwerks, ist gegen die gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung.
„Unser zentraler Kritikpunkt bei der Mindestlohndebatte ist, dass damit die Tarifautonomie unterlaufen wird. Diese ist ein Verfassungsgut! … Was bei dieser Gesetzgebung irritiert, ist das Gießkannenprinzip, denn regionale Sonderheiten werden ignoriert. Auch die Tatsache, dass hier eine geplante Steigerung bis 2023 stattfinden soll, die per Gesetz Steigerungen bis zu 40 Prozent möglich macht!“