Stuhlmiete verstehen: Leitfaden für Stuhlmieter

Oder: Der vorsichtige Weg in die Selbstständigkeit? Fans auf der Einen – Abwehr auf der Anderen! Für die einen ein erster Schritt in die Selbstständigkeit, für die anderen der Weg zur Schwarzarbeit. Wir haben für dich recherchiert…

Im Vergleich zu Amerika, wo Stuhlmiete ein sehr beliebtes und weit verbreitetes Unternehmes-Modell ist, tun sich InteressentInnen von Stuhlmiete bei uns trotz steigender Nachfrage häufig schwer. Wissbegierde ist da und Stuhlmiete-Inserate nehmen zu. Wir haben für euch die wichtigsten „Good to Know“-Punkte gesammelt.

Stuhlmiete – was ist das, was kann das?

Aus Stuhlmieter-Sicht:

Für (meist junge) FriseurInnen ist Stuhlmiete ein erster Schritt in die „kleine“ Selbstständigkeit, ohne große finanzielle Risiken einzugehen. Du mietest einfach einen „Bedienplatz“ (Stuhl) in einem fremden Betrieb inklusive Mitbenützung der gesamten Salon-Infrastruktur.

Heißt: Als Stuhlmietender bist du dein eigener Chef und du agieren auch wie ein eigener Unternehmer. Du bist verantwortlich für deine Terminvereinbarungen, den Produkteinkauf, für die ordnungsgemäße Einzahlung deiner Sozialversicherung und hast keine Ansprüche auf bezahlten Urlaub bzw. Sonderzahlungen, wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, und noch einiges mehr:

Checkliste:

  • Zunächst musst du die handwerksrechtlichen Voraussetzungen erfüllen, das heißt du brauchst einen Meisterbrief für die Ausübung deiner Friseurtätigkeit
  • Du musst dein Gewerbe anmelden
  • Du bist selbst für die Zahlung der Sozialversicherung zuständig
  • Du bestimmst die Bedingungen, unter denen du arbeitest, sprich Öffnungs- und Arbeitszeiten…
  • Du musst dich als Stuhlmieter selbst um deine Auslastung kümmern und koordinieren deine Termine selbst
  • Du trägst unternehmerisches Risiko und herrschen über dein eigenes kleines Reich
  • Du musst eine Kasse führen
  • Du bist für eine ordentliche Kostenübersicht verantwortlich
  • Du bezahlst Kammerumlage und Steuern, ein Steuerberater wird empfohlen!
  • Du benötigst einen eigenen Unternehmensauftritt (Logo, evt. Webauftritt, Schild vorm Salon)
  • Du musst dich um die Vermarktung deines Unternehmens kümmern
  • Du darfst nicht mit Sonderzahlungen und finanziellen Zuwendungen rechnen
  • Du musst deinen Produkteinkauf selbst tätigen, sofern du nicht die Produkte des Salons mitverwendest (-> Mehr dazu siehe unter Punkt „Produkte“)

Vorwurf Scheinselbstständigkeit

Was ist Scheinselbstständigkeit?

Scheinselbstständigkeit tritt dann in Kraft, wenn die Trennung zwischen dem Stuhlvermieter und –mieter nicht strikt vollzogen wird und sich daraus ableiten lässt, dass es sich um ein Angestelltenverhältnis des Stuhlmieters handelt zum Zweck Sozialversicherung zu sparen und Schwarzarbeit zu verschleiern.

Wie verhindere ich Scheinselbstständigkeit?

Wichtig ist die 100 prozentige Trennung und Anmeldung der beiden Unternehmen. Zur Trennung, die von außen ersichtlich sein muss, gehört auch die Anbringung der Logos Ihres bzw. aller Stuhlmieter vor dem Salon. Ebenso unterliegen Stuhlver- und -mieter der korrekten Einzahlungspflicht der Sozialversicherungsbeiträge, sowie Steuern und es besteht die Erfordernis über eine individuelle, ordnungsgemäße Buchführung.

Was kann passieren, wenn ich als „scheinselbstständig“ geoutet werde?

Bei einer Steuerprüfung durch das Finanzamt oder Überprüfung durch die Krankenkasse, die in den meisten Fällen die Kontrollorgane darstellen, werden die Finanzen des Salons genau unter die Lupe genommen. Stichwort: Schwarzarbeit! Ein erstes Indiz für Scheinselbstständigkeit ist, wenn sich zum Beispiel eine Differenz zwischen dem tatsächlichen Materialverbrauch und dem in deinen Aufzeichnungen ergibt. Gefährlich wird es, wenn es sich eigentlich um ein Angestelltenverhältnis des Stuhlmieters im Salon handelt und Sozialversicherungsbeiträge seitens des Stuhlvermieters unterschlagen wurden, denn dies hätte erhebliche Auswirkungen für Stuhlvermieter UND -mieter. Im schlimmsten Fall könnte man zur Zahlung bis zu 5 Jahren rückwirkend belangt werden.

Bundesinnungsmeister Wolfgang Eder meint: „Es muss als Stuhlmieter klar ersichtlich sein, dass man ein eigenes Unternehmen ist. Das beginnt schon bei grundlegenden Dingen, wie zum Beispiel der Anmeldung, der selbstständigen Buchführung und Einzahlung seiner Sozialversicherungsbeiträge, dem selbstständigen Produkteinkauf usw. Auch die klar ersichtliche Präsentation nach außen hin mit eigenem Logo ist sehr wichtig. Die Mitbenützung der Infrastruktur hingegen ist im Mietpreis inkludiert, muss aber vertraglich abgeklärt sein.“


Thema: Produkte

Szenario 1: Produkte des Saloninhabers mitbenützen – geht das?

Wenn man sich mit der Salonmarke identifizieren kann, besteht die Möglichkeit die Produkte des Salons mitzubenützen.

Dabei gibt es aber vieles, das du unbedingt beachten bzw. gemeinsam mit dem Stuhlvermieter bereden müssen (am besten vor der vertraglichen Fixierung, damit es zu keinem unschönen Erwachen kommt):

  • Wie wird die Verrechnung geregelt: Zahlst du die Produkte pro verwendeter Flasche oder wird mit einem Pauschalpreis verrechnet? Gibt es eine Strichliste für verwendete Produkte? Wiegst du die verwendete Farbe ab?
  • Herrscht eine gewisse Vertrauensbasis zwischen deinem Vermieter und Ihnen? -> Diese ist bei einer Strichliste nämlich unumgänglich!
  • Wie verrechnet der Stuhlvermieter den Produktpreis? Zahlst du den Einzelhandelskaufpreis? Gibt es Rabatte? Mit oder ohne Aufschlag?
  • Wichtiger Punkt: Produktlager? Gibt es ein gemeinsames Lager? Hast du die Möglichkeit deine Produkte zu versperren?
  • Produktverkauf an Kunden: Wie wird verrechnet?
Credit: Martin Steiger

Credit: Martin Steiger

imSalon-Tipp:

Tipp für eine akkurate Produktverrechnung vom Wiener Salonbesitzer Bertram K.: „Ich habe wirklich einmal geschaut, wie viele Pumphübe sich aus einer Shampoo- oder Conditionerflasche ausgehen und dann habe ich den Preis eines Pumphubes berechnet. Anhand einer Strichliste über die Pumphübe der einzelnen Produkte habe ich mit meinen Stuhlmietern einmal monatlich die Produkte abgerechnet.“

Szenario 2: Meins, meins, meins – Die eigenen Produkte mitnehmen

Kannst du dich mit der Salonmarke überhaupt nicht anfreunden oder bist du einfach schon zu sehr an deine eigenen Produkte gewöhnt, dann kannst du deine Produkte als Stuhlmieter auch in den Salon mitnehmen. Sofern du das vorab mit dem Stuhlvermieter geklärt hast und Ihr beide d’accord sind, darf Ihnen der Stuhlvermieter seine Produkte nicht aufzwingen. Beachte, wenn du deine eigenen Produkte verwenden, dass du selbstständig für die rechtzeitige Produktbestellung und die ordnungsgemäße Buchführung darüber verantwortlich bist.

Auch bei diesem Szenario gibt es einige Punkte, die du nicht außer Acht lassen darfst:

  • Wie regelst du die Logistik der beiden Produktlager?
  • Gibt es einen eigenen, absperrbaren Abstellraum oder Kasten für deine Produkte?
  • Wie bringst du deine Marke im Salon ein? Wie bzw. wo visualisierst du diese?
  • Verkaufst du diese deine Kunden?
Goldwell

Goldwell

imSalon Tipp:

Wenn dein Mieter eine sichere Aufbewahrung seiner Produkte möchte, empfehlen wir einen abschließbaren Trolley!

Folgendes Modell haben wir für euch gefunden:

Teilweise absperrbarer Kunststoff-Arbeitswagen von Goldwell:

► Erhältlich über Goldwell oderFriseureinrichtung la max

Das sagt die Innung:

„Man kann als Stuhlmieter die Produkte des Saloninhabers mitbenützen, aber es müssen exakte Aufzeichnungen über die verwendeten Waren erfolgen, um diese dann auch abrechnen zu können. Der einfachste Weg ist also, wenn man den Wareneinkauf selbst tätigt und seine eigenen Rechnungen bezahlt,“ rät Innungsmeister Eder.

Idealerweise hat also der Stuhlmieter und -vermieter seine eigene Warenwirtschaft und sein eigenes Warenlager. Wenn das aus Platzgründen nicht möglich ist, sollten die Vorräte eindeutig dem jeweiligen Unternehmen, also dem Stuhlmieter oder -vermieter zuzuordnen sein. Nur dann ist die jährliche Inventur korrekt möglich.

Die wichtigsten To Do’s als Stuhlmieter auf einen Blick:

  • Als Stuhlmieter trittst du als Einzel- oder Kleinunternehmer auf und du musst dein Gewerbe anmelden
    • Besprich vor der schriftlichen Vertragsunterzeichnungen mit deinem Stuhlvermieter Punkte, wie z.B.
    • Mietpreis
    • Nebenkosten
    • Kündigungsfrist
    • WLAN
    • Reinigung
    • Öffnungszeiten und Nutzungsumfang der Saloninfrastruktur (Kassabereich, Service (Kaffee und Getränke), Wartebereich, Zeitschriften, Mitbenutzung der Lehrlinge im Salon)
  • Du zahlst selbst deine Sozialversicherungsbeiträge ein
  • Du musst monatliche Miete und Nebenkosten, wie Energiekosten bezahlen.
  • Du musst dich selbst um deine Auslastung, deiner Kunden, deine Termine kümmern
  • Thema Produkte: Selbstständiger Produkteinkauf oder monatliche Produktabrechnung bei Mitverwendung, Produktlagerung
  • Sie bestimmten deine Öffnungszeiten / Arbeitszeiten
  • Sie sind selbst für Werbung, Marketing, Aktionen, Logo zuständig
  • Sie erhalten keine Sonderzahlungen und haben keinen Urlaubsanspruch
  • Für geplante Auszeiten müssen Sie sich einen Finanzpuffer zulegen

„Steps“ zur Stuhlmiete

Gewerberechtlich gelten für Stuhlmieter die gleichen Voraussetzungen wie für Saloninhaber. Du benötigst den Abschluss der Meisterprüfung, sowie die Zulassung zum Gewerbe, also den Gewerbeschein bevor du dein Unternehmen bei der Gewerbebehörde anmelden.

Mehr Informationen dazu erhältst du bei deiner Landesinnung oder beim Gründerservice der Wirtschaftskammer!