Credit: Jenny Binder

Jennifer Binder: Fachkräfte bekommt man nicht zu Dumpingpreisen

im Interview mit Juliane Krammer von imSalon.de

Es ist die Ära der Mitarbeiter*innen-Bindung: 2023 wird die Friseurmeisterin den Salon, in dem sie angestellt ist, übernehmen und krempelt um. Dazu gehören eine 4 Tage Woche bei gleichbleibendem Lohn und weniger Arbeitsstunden.

Hallo Jennifer, du hast mit starken Worten einen Artikel kommentiert, in dem sich eine Kund*in beschwert hat, dass ihr 6 Euro fürs selbst Föhnen verrechnet wurden. Was war für dich ausschlaggebend, dazu Stellung zu beziehen?
Jenny Binder:
 Anfang nächsten Jahres werde ich den Salon übernehmen, in dem ich aktuell tätig bin. Deswegen beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Preisgestaltung und der Stimmung, die dazu in den Medien gemacht wird.
Dass sich eine Stammkundin bei der Presse beschwert, 6 Euro dafür zu bezahlen, dass sie einen Platz in Anspruch nimmt, Strom verbraucht und wohlmöglich auch noch Produkte verwendet, finde ich unverschämt.

Wo hakt es in der Branche, dass Preise beim Friseur bis ins kleinste Detail zerlegt und hinterfragt werden?
JB:
 Wir Friseur*innen werden zu oft als Negativbeispiel in Medien herangezogen. Bei jedem Handwerksberuf werden Preise inklusive langen Wartezeiten hingenommen. 6 Euro sind für mich kein Grund, um sich zu beschweren …Es beginnt bei uns Friseur*innen und in den Salons: Wir kommunizieren viel zu wenig, warum für eine Leistung oder Zeit ein gewisser Preis verrechnet wird. Wir denken zu oft mit dem Herzen, weil wir kundenverbunden sind. Das unternehmerische Denken gerät dann in den Hintergrund. Hinzu kommt der Konkurrenzkampf.

“Dumpingpreise führen im Team zu Frust. Wenn ich zu günstige Preise habe, müssen die Stylist*innen mehr tun, damit sie ihren Soll-Umsatz haben.”

Hast du für dich als zukünftige Salonbesitzerin einen Lösungsansatz?
JB: 
Ich fände ein Miteinander von umliegenden Salons schön. Man sollte sich mit Kolleg*innen connecten und sich gegenseitig den Rücken stärken. Nicht nur wegen der Kund*innen – mir geht es auch um Mitarbeiter*innen … Dumpingpreise führen im Team zu Frust. Wenn ich zu günstige Preise habe, müssen die Stylist*innen mehr tun, damit sie ihren Soll-Umsatz haben. Ich will nicht, dass meine Mitarbeiter*innen von morgens bis abends ohne Pause durcharbeiten.

“Im Moment liegt der Fokus nicht auf Neukund*innen sondern auf Fachkräfteerhalt. Deswegen führe ich eine 4-Tage Woche von Dienstag bis Freitag ein. Der Lohn bleibt trotz 3 Stunden  weniger Arbeit gleich”

Hast du eine Änderung im Salon vorgenommen, um auch attraktiver für Mitarbeiter*innen zu sein?
JB: 
Klar! Das Thema Work-Life-Balance ist wichtig. Im Moment liegt der Fokus nicht auf Neukund*innen sondern auf Fachkräfteerhalt. Deswegen führe ich eine 4-Tage Woche von Dienstag bis Freitag ein. Samstag bleibt, bis auf bestimmte Terminabsprachen geschlossen. Damit sich dieser „Leertag“ ausgleicht, macht jede von uns einen langen Tag. Kund*innen können so Abendtermine wahrnehmen. Der Lohn bleibt trotz 4 Tage Woche und 3 Stunden weniger Arbeit gleich.

Wie kamst du zum Entschluss 4-Tage Woche im Salon?
JB: 
Ich bin in einer Friseurunternehmer-Gruppe und dort hatte ich eine Umfrage gestartet, wie viele Salons 4 Tage die Woche arbeiten und den erzielten Umsatz erwirtschaften. Es kam so viel positives Feedback. Die meisten hatten festgestellt, dass das Arbeitsklima harmonischer ist, das Team motivierter ist und wieder Lust hat, zu arbeiten.

Vielen Dank, Jennifer, für deine Offenheit. Ich wünsche dir alles Liebe für die Zukunft und den Neustart als Salonbesitzerin!