Daniela Sorger ist der Meinung, dass eine Naturfriseur Ausbildung das Handwerk für die Generation Fridays for Future attraktiver macht. Was dafür von Seiten der Innung notwendig ist, erzählt sie im Interview.
Im Interview mit Juliane Krammer von imSalon
imSalon: Liebe Daniela, seit wann gehst du den Weg der Naturfriseurin?
Daniela Sorger: Ich habe mich 2013 selbstständig gemacht und einen konventionellen Friseursalon übernommen und zusätzlich eine Naturfirma mitaufgenommen. Parallel dazu habe ich meine Ausbildung zur Haar- und Hautpraktikerin gemacht und 2017 den konventionellen Bereich verkauft.
Wie groß war dein Friseursalon vor dem Verkauf?
DS: Ich hatte sieben Mitarbeiter*innen und einen Auszubildenden.
Wie organisiert man zwei unterschiedliche Konzepte in einem Salon?
DS: Der Salon bot genügend Platz für das klassische Kundenstyling und mein – so wie ich es nannte – Natureck.
“Mir war schnell klar, dass der Naturbereich umsatzstärker war.”
Wie haben Kund*innen auf dein „Natureck“ reagiert?
DS: Ich hatte schnell viele Kund*innen gewonnen, die auf Natur umsteigen und ihr Leben nachhaltiger gestalten wollten. Aber man muss schon sagen, dass der konventionelle Bereich meine Naturfriseur Ausbildung finanziell getragen hat. Mir war schnell klar, dass der Naturbereich umsatzstärker war.
Wie war das möglich, dass du plötzlich so viel mehr Umsatz mit deinem Natur-Salon gemacht hast?
DS: Die Produkte, die ich verwende, sind friseurexklusiv, nur mit Beratung und Aufklärung zu kaufen. Die haben mir die Bude eingerannt. (lacht)
Da hast du wohl in deiner Region einen Nerv getroffen …
DS: Ich bin aus Niederbayern, an der österreichischen Grenze. Es war damals absolutes Neuland. Die Menschen wollen aber so eine Umstellung. Sie legen Wert auf den Schutz der Mutter Erde, des Wassers und auch der Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen.
Was hast du investiert, damit die Info potenzielle Kund*innen erreicht?
DS: Anfänglich hatte ich eine Zeitungsannonce geschalten, aber durch Mundpropaganda und Kund*innen-Zufriedenheit stellte sich sehr schnell der Erfolg des Konzepts ein. Jetzt fokussiere ich nur noch auf den Naturbereich.
Welche Art von Kund*innen sprichst du an?
DS: Ich behandle Herren sowie Damen, die klassische Produkte nicht vertragen: Schuppen, Ekzeme, … allergische Reaktionen quer durch die Bank, aber auch Haarausfall ist ein Thema, genauso kommen Chemopatientinnen zu mir.
Was war für dich ausschlaggebend, den neuen Weg zu gehen?
DS: Tatsächlich war das meine Heilpraktikerin, die damals meinte, sie hat so viele Patient*innen, die sie an eine*n Naturfriseur*in weitersenden möchte.
Welche Veränderungen hat die Naturfriseur Ausbildung gebracht?
DS: Es folgte ein komplettes Umdenken. In den konventionellen Salons wird blondiert, gefärbt, dauergewellt – chemisch behandelt, aber das Haar-Problem wird dadurch nicht behoben. Das Haar wird nur mehr kaputt und geschädigt, die Haut schlechter und daraus entstehen wieder mehr Probleme. Die Kund*innen, die mit mir den Naturweg gegangen sind, haben eine positive Umstellung erlebt und wollen das nicht mehr missen.
Wie funktioniert eine Ausbildung als Natur-Friseur*in?
DS: Das ist die Crux an der Geschichte: Ich war 15 Jahre lang Ausbilderin und im Prüfungsausschuss. Es gibt aber kaum Personen, die sich mit dem Thema Pflanzenfarbe auskennen und somit können Prüfungen im Naturbereich nicht abgenommen werden. Ein weiteres Problem ist, dass ich Azubis auf die komplette Prüfung, nur mit Naturprodukten, nicht vorbereiten kann. Dieser müsste dual in einem anderen Salon die konventionellen Inhalte erlernen. Hierin liegt viel Potenzial.
Wann kann ich mit einer Ausbildung als Naturhaar-Expertin starten?
DS: Das funktioniert erst nach der Ausbildung und dauert ca. 2 Jahre. Aber es gibt auch die Möglichkeit, die Ausbildung neben dem Job innerhalb von 3-5 Jahren zu absolvieren.
“Ich bin der Meinung, dass das Arbeiten als Naturfriseur*in als Zugpferd für den Nachwuchs funktionieren kann. Junge Menschen setzen sich mit dem Thema Nachhaltigkeit schon längst auseinander.”
Wie schafft man den Nachwuchs für Naturhaar-Behandlungen zu begeistern?
DS: Es ist die Generation Fridays for Future. Schon in den Schulen wird darauf aufmerksam gemacht, wie man die Erde schützen oder Plastik einsparen kann. Die jungen Menschen interessieren sich dafür, was passiert, wenn man sich Aluminium unter die Achseln sprüht oder wenn man 1kg Haarspray verwendet. Ich bin der Meinung, dass das Arbeiten als Naturfriseur*in als Zugpferd für den Nachwuchs funktionieren kann. Junge Menschen setzen sich mit dem Thema Nachhaltigkeit schon längst auseinander. Wenn man darüber nachdenkt, was Salons an Chemie und Mist in den Gully spülen, ist es dramatisch. Meine Tante hatte eine chemische Reinigung, mit Auflagen, damit davon nichts ins Grundwasser kommt. Beim Friseur-Salon ist es im Prinzip nicht anders, nicht ganz so extrem, aber trotzdem Chemie pur.
Was braucht es zum Umdenken?
DS: Die Innungen müssen motiviert werden, sich einzusetzen. Ich bin selbst in der Innung tätig und stoße immer wieder auf Widerstand. Aber auch der ZV muss hier ins Boot. Dieser ist teils aggressiv gegen Naturfriseur*innen.
“Seit einem Jahr kann ich keine neuen Kund*innen mehr annehmen, aber weiterempfehlen ist auch nicht möglich, weil keine Naturfriseur*innen zur Verfügung stehen.”
Wie meinst du das?
DS: Ich bin sogar schon mal als Nestbeschmutzerin bezeichnet worden. Es muss nicht jede*r Naturfriseur*in werden. Kund*innen wollen das auch nicht. Viele Menschen möchten Pink oder blondiert sein, aber es gibt eben auch Alternativen. Genauso brauchen Berufsschul-Lehrer*innen mehr Hintergrundwissen. Ich habe bei meiner Meister*innen-Ausbildung nichts über Inhaltsstoffe gelernt. Es braucht dazu mehr Aufklärung … Seit einem Jahr kann ich keine neuen Kund*innen mehr annehmen, aber weiterempfehlen ist auch nicht möglich, weil keine Naturfriseur*innen zur Verfügung stehen.
Danke, Daniela, für den Einblick und alles Gute für die Zukunft.